Wäre nicht das Hinweisschild zur Auffahrt auf die Brooklyn Bridge, wir würden diese Nachtaufnahme in jeder x-beliebigen Großstadt vermuten, nur nicht in New York, wo die Nacht etwas Mystisches hat. Der Fotograf Jürgen Pollak zeigt uns nicht das Lichtermeer Manhattans mit seiner funkelnden Skyline, das strahlende Empire State Building oder die quirlig-bunte Leuchtreklame des Times Square. Was er uns präsentiert, sind nüchterne, in kaltes Licht getauchte Straßen und Verkehrsknotenpunkte einer Metropole, die so gar nichts Geheimnisvolles mehr ausstrahlt. Dort, wo tagsüber das Leben pulsiert, wo tausende von Menschen die Avenues entlanghetzen und das Verkehrschaos den Rhythmus beherrscht, kommt die Stadt in der Nacht scheinbar zum Stillstand. In Pollaks Fotografien sind diese Straßen und Plätze wie leergefegt – und hell erleuchtet, ebenso wie zahlreiche Fenster in Bürotürmen und Wohnblocks – A city that never sleeps? Das hektische Großstadtleben ist einer Stille gewichen, die jedoch nichts Kontemplatives an sich hat, sondern unter greller Beleuchtung und Beobachtung steht. In diesen Aufnahmen macht sich die Nacht sozusagen unsichtbar. Seine Absicht ist es deshalb auch nicht, den unzähligen Manhattan-bei-Nacht-Fotos eine weitere Serie hinzuzufügen. Was er zeigt, sind Ansichten von einem New York, das es so gar nicht gibt. Unter diesen Voraussetzungen handelt es sich folglich um konstruierte Bilder – Wahrnehmungen des Kameraauges, die einen der bevölkertsten Orte dieser Welt zu einem verlassenen Ort machen. Die latente Geschäftigkeit, die von hell erleuchteten Baustellen, Bürohäusern und Verkehrsknoten ausgeht, unterstreichen den Eindruck von einer Stadt, die in diesen Bildern ohne Menschen zu funktionieren scheint. Dr. Andrea Jahn